Über die Psychotherapie

Welche Verfahren gibt es?

Die verschiedenen psychotherapeutischen Verfahren unterscheiden sich sowohl hinsichtlich ihres Verständnisses der Entstehung von psychischen Krankheiten als auch in ihrem Therapiekonzept und der Haltung der Behandelnden. Im folgenden finden Sie eine Auflistung und kurze Charakterisierung der am weitesten verbreiteten Psychotherapieformen.
Von den gesetzlichen Krankenkassen werden zur Zeit folgende 4 Verfahren erstattet: die Verhaltenstherapie, die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie, die analytische Psychotherapie sowie die Systemische Therapie  (für Kinder- und Jugendliche steht die Systemische Therapie den Versicherten voraussichtlich ab der zweiten Jahreshälfte 2024 zur Verfügung).
Verhaltenstherapie: Die Verhaltenstherapie geht davon aus, dass Menschen ihr Verhalten und Erleben durch Erfahrungen im Laufe ihres Lebens erlernen. Eine psychische Krankheit entsteht dann, wenn die erlernten Muster problematisch oder unangemessen sind; etwa indem sie bei der Person oder ihrer Umgebung Leidensdruck verursachen. So erlebt eine Person beispielsweise im Falle einer Essstörung, dass schlanke Menschen dem Ideal entsprechen und ihrer Wahrnehmung nach beliebter sind als andere. Daraus können sich durch das Bestreben, diesem Ideal zu entsprechen und der Angst vor einer Gewichtszunahme, unangemessene Ernährungsgewohnheiten wie Anorexie oder Bulimie entwickeln. In der Psychotherapie werden gemeinsam neue Verhaltens- und Erlebensmuster erarbeitet, die die Patient*innen dann mit Hilfe verschiedener Methoden einüben. Ziel ist, die negativen Muster durch positive zu ersetzen. Die Verhaltenstherapie ist eine gedanken- und handlungsorientierte, problembezogene Therapieform.
Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie: Diese Psychotherapieform hat sich aus der psychoanalytischen Therapie entwickelt. Das zugrunde liegende Menschenbild sowie das Verständnis der Entstehung psychischer Krankheiten sind ähnlich: Auch die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie geht davon aus, dass den aktuellen Problemen ein innerpsychischer Konflikt zugrunde liegt. Allerdings konzentriert sich die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie bei der Behandlung auf die Bearbeitung des sogenannten Zentralen Konflikts und sucht auf dieser Basis nach möglichen Ursachen in der Persönlichkeit oder der Vergangenheit der Person. Patient*innen sollen durch Einsichten in Zusammenhänge und Ursachen ihrer Probleme Veränderungen im Erleben oder Verhalten anstreben, wobei sie von den Therapeut*innen aktiv unterstützt werden.
Analytische Psychotherapie: Diese Therapie geht auf Sigmund Freud zurück, basiert auf einer Theorie des normalen und pathologischen Verhaltens und ist die älteste Form der Psychotherapie. Im Laufe der Zeit haben sich verschiedene Varianten dieser Psychotherapieart entwickelt, die jedoch in Ihrem Verständnis der Entstehung psychischer Erkrankungen größtenteils übereinstimmen. Ziel der analytischen Psychotherapie ist das Bewusstmachen von verdrängten Gefühlen und Erinnerungen, die eine Entwicklung zum gesunden, selbständigen Individuum blockieren. Die Ursachen und Lösungen für gegenwärtige Probleme sind laut Neurosenlehre im Unbewussten und in der Vergangenheit des Person zu suchen. Patient*innen sollen im Laufe der Therapie die Konflikte von prägenden Entwicklungsphasen erneut durchleben, um sie zu verarbeiten. Dies geschieht in der systematischen Analyse von Übertragung und Gegenübertragung. Häufig angewendete Methoden sind zum Beispiel die freie Assoziation oder die Traumdeutung. In der Regel finden bei dieser Therapieart 2-3 Sitzungen pro Woche, oftmals im Liegen statt. Analytische Psychotherapeut*innen verhalten sich neutral, um als Projektionsfläche für die Emotionen der Patient*innen dienen zu können und sitzen in Regel so, dass sie für die Patient*innen nicht sichtbar sind. Der Patient*innen sollten die Fähigkeit und Bereitschaft zur Selbstreflexion und Selbstanalyse mitbringen, damit die psychoanalytische Therapie erfolgreich sein kann.
Systemische Therapie: Es gibt verschiedene Formen der systemischen Therapie, alle stellen jedoch nicht nur die einzelne Person in den Mittelpunkt der Behandlung, sondern beziehen auch die wichtigsten Bezugspersonen, wie etwa die Familie, sowie die Umgebung von Patient*innen mit ein. Die psychische Erkrankung eines Einzelnen wird als ein Symptom für eine Störung im Verhaltens- oder Kommunikationsmuster des Systems, d. h. in der Familie oder auch im weiteren Umfeld gesehen. In der Therapie versuchen Behandelnde zum einen, die Störungen im System zu identifizieren und zum anderen, mit dem Patienten Lösungsmöglichkeiten zu erarbeiten. Ein Beispiel für eine systemische Intervention ist die paradoxe Verschreibung. Hier werden Patient*innen aufgefordert, das eigene problematische Verhalten beizubehalten statt zu bekämpfen, da es wichtig für die Aufrechterhaltung der vorliegenden Familienstrukturen ist. Dadurch werden die einzelnen Familienmitglieder gezwungen, sich mit ihrem Beitrag und ihrer Reaktion auf das zentrale Problem auseinander zu setzen.
Gesprächspsychotherapie nach Rogers: Diese Therapieform gehört zu den humanistischen Ansätzen und wird auch als klientenzentriert oder auch personzentriert bezeichnet. Im Zentrum steht hierbei nicht nur die klinische Symptomatik oder die Entwicklungsgeschichte, sondern die Person als Ganzes in ihrer Lebensumwelt. Es liegt ein Menschenbild zugrunde, nachdem jeder Mensch nach Selbstverwirklichung strebt und somit die Motivation und den Antrieb, an den eigenen Problemen zu arbeiten, bereits in sich trägt. Grundlage der Gesprächspsychotherapie sind drei Variablen, die das Verhalten der Therapeut*innen beschreiben: Eine emphatische Grundhaltung gegenüber den Klient*innen, Echtheit (Kongruenz) sowie Akzeptanz, d. h. die bedingungslose positive Wertschätzung der Klient*innen und ihrer Probleme. Mit Hilfe einer klientenzentrierten Gesprächsführung, in welcher der gefühlsmäßigen Bedeutung besondere Beachtung geschenkt wird, sollen Patient*innen sich selbst verstehen und annehmen lernen.
Gestalttherapie: Die Gestalttherapie nach Perls gehört ebenfalls zu dem humanistischen Psychotherapieformen. Auch hier wird davon ausgegangen, dass der Mensch im Grunde zum Guten und Ganzheitlichen strebt. Patient*innenen werden bei dieser Methode mit unvollständig verarbeiteten Erfahrungen oder unterdrückten Bedürfnissen konfrontiert, wobei sich die Therapie auf den Zustand der Person im Hier und Jetzt konzentriert. Die Behandelnden versuchen, den Patient*innen zu motivieren und dabei zu unterstützen, sich den Problemen zu stellen und Verantwortung für die eigenen Handlungen zu übernehmen. Ziel der Gestalttherapie ist die Entwicklung der Person zu einem ganzheitlichen Individuum, welchem alle Teile ihrer Persönlichkeit, ihre Gefühle und Bedürfnisse bewusst sind (die so genannte gute Gestalt).